Slacklines sind stark: Selbst die schwächsten in Slacklines verwendeten Bänder halten laut Herstellerangaben um die 17 kN – das reicht theoretisch, um einen Mittelklassewagen dranzuhängen. Es entspricht außerdem fast der Festigkeit eines Kletterseils. Angesichts solcher Vergleiche sollte man meinen, dass wir uns um das Reißen von Slacklines keine Gedanken machen müssten.
Ich habe selbst gesehen, wie Lines beim Spannen gerissen sind. Bei langen Lines oder Highlines kann das richtig gefährlich werden. Wie ist das möglich?
Wir, das sind Bernie Friedrich, Tom Glanz und ich, wollten es genau wissen und trafen uns eines Tages bei einer sogenannten „Zerreißmaschine“. So ein Gerät verfügt nicht nur über eine starke Hydraulik, sondern auch über ein Kraftmessgerät, das genau aufzeichnet, wann das eingespannte Material den Geist aufgibt.
Es ging uns darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Belastung wir unseren Lines zumuten durften. Aber ich muss auch zugeben, dass wir eine diebische Freude daran hatten: Wir fühlten uns wie drei kleine Jungs, die mit Feuer spielen durften.
Was wir schon vorher wussten, war, dass es auf die Fixierung des Bandes ankommt. In der Slackline-„Steinzeit“, vor wenigen Jahren, hatten wir unsere Bänder noch mit Knoten fixiert. So ein Knoten reduziert die Bruchlast des Bandes um mindestens die Hälfte und bis zu einem Viertel – also wird es nichts mit dem Mittelklassewagen. Mit einem guten Flaschenzug oder einer guten Ratsche kann man ohne Weiteres mehrere hundert Kilo Spannung erreichen und begibt sich damit in gefährliches Terrain.
Knoten sind also inzwischen tabu. Heute verwendet man vielfach einen „Linelocker“, also ein einzelnes Kettenglied, mit dem sich ein flacher Wickelknoten fädeln lässt. Auch ein einzelner Bolzen ist ein möglicher Linelocker. Aber selbst so ein Linelocker reduziert die Festigkeit des Bandes. Wie sehr, das konnten wir nun endlich herausfinden.
Ich muss noch dazusagen, dass unsere Ergebnisse auf keinen Fall streng wissenschaftlich sind. Wir haben die meisten Versuche nur ein oder zwei Mal durchgeführt. Um zu wirklich verlässlichen Aussagen zu kommen, müsste man die Versuche öfter wiederholen und auch sonst mehr Aufwand betreiben. Trotzdem können unsere Ergebnisse ein Gefühl dafür geben, wie reißfest Slacklines wirklich sind.
Unser Versuchsaufbau hatte die Form eines Wettkampfs: Wir mussten das Band auf beiden Seiten in der Maschine fixieren. So gesehen konnten wir nie eine Methode zur Bandfixierung alleine testen, sondern zwei miteinander vergleichen. Auf einer Seite würde das Band reißen.
Zuerst mussten die alten Knoten dran glauben. Das Duell hieß Mastwurf gegen Bolzen-Linelocker (der übrigens eine Entwicklung von Bernie ist). Das Band war ein Schlauchband, das 1,7 Tonne halten sollte. Verlierer war natürlich der Mastwurf, und zwar bei knapp 800 Kilo (genau: 7,79 kN).
Ein Knoten reduziert die Festigkeit des Bandes also tatsächlich um mehr als die Hälfte!
Danach verglichen wir Kettenglied und Bolzen-Linelocker, wieder mit dem Schlauchband. Der Verlierer war das Kettenglied: Das Band riss bei gut 1,3 Tonnen.
Ein Kettenglied ist also offensichtlich besser als ein Knoten. Und gerade in kurzen Slacklines mit Schlauchbändern kommt man wohl nur schwer auf solche Kraftwerte.
Interessant war der nächste Versuch: Gleicher Aufbau, aber mit einen Longline-Band. Die angegebene Bruchlast war 2,5 Tonnen. Dieses Band riss im Kettenglied bei knapp 1,8 Tonnen.
Das war für uns ein erschreckendes Ergebnis: Wir verwendeten dieses Band in Highlines und Longlines! Gerade bei Highline-Stürzen kommt man erwiesenermaßen in die Nähe dieses Bereichs. Und bei Longlines, die mit Kettenzügen gespannt werden, ist oft nur sehr schwer abzuschätzen, wie hoch die Spannung wirklich ist. Diese Kettenzüge sind oft bis 3,5 Tonnen ausgelegt, also mit Leichtigkeit stark genug, um das Band zu zerreißen. Was ein Band, das bei 1,8 Tonnen reißt, für ein Geräusch macht, habe ich noch lebhaft in Erinnerung. Den Peitschenschlag, den eine zerreißende Longline macht, will ich nicht aus der Nähe miterleben.
Wir haben noch viele andere Sachen ausprobiert, aber das sind die wichtigsten Ergebnisse. Wir haben daraus mehrere Dinge gelernt.
Für Highlines und Longlines oder auch Jumplines sind Kettenglieder nicht zu empfehlen. Bessere Bandfixierungen sind in Entwicklung, bzw. gibt es sie bereits. Bernies Bolzen-Linelocker hat zum Beispiel bessere Ergebnisse geliefert. Andere Varianten finden sich im Forum.
Bei langen Highlines und Longlines sollte immer ein Spannungsmessgerät eingebaut sein. (Ich werde mich hier nicht auf genaue Zahlen festlegen.) Ich verwende in letzter Zeit eine Kranwaage.
(Dass Highlines trotzdem ein Redundanzseil brauchen, setze ich als bekannt voraus.)
Insgesamt sollte man Lines nicht überspannen. Klar, härtere Lines sind oft einfacher zu gehen. Aber lohnt sich das, wenn man dafür mit einem Fuß im Grab steht? Außerdem: Wenn ich etwas Einfaches gehen will, dann sollte ich am festen Boden bleiben.
In diesem Sinn: Keep it slack!
Um ein Gefühl für die Grenzen des Materials zu geben, folgt noch eine Liste mit einigen Ergebnissen. Alles, wie gesagt, ohne Gewähr. (Für alle Nicht-Techniker: 10 kN entsprechen in etwa 1000 Kg)
Schlauchband (18 kN angegebene Bruchlast) mit Kettenglied: 13,3 kN
Schlauchband mit Mastwurf befestigt: 7,79 kN
Longline-Band (25 kN Bruchlast) mit Kettenglied: 17,8 kN
Schlauchband mit Bolzen-Linelocker: 17,3 kN (Band riss nicht im Linelocker, sondern in der Mitte)
Longline-Band mit Bolzen-Linelocker: 21,2 kN